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Von Hodenbadern und Hormonen

separee
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Irene Habich

Verhütung ist immer noch Frauensache – zumindest dann, wenn sie sicher und zuverlässig sein soll. Für Männer, die selbst Verantwortung übernehmen möchten, sind die Möglichkeiten begrenzt: Kondome können verrutschen, platzen, und beiden Partnern den Spaß verderben. Bleibt die Option eines chirurgischen Eingriffs – der aber auf Dauer unfruchtbar macht. Was fehlt, ist ein sicheres Verhütungsmittel für Männer, das man auch wieder absetzen kann. Warum nur gibt es das bisher noch nicht?

  • Text: Irene Habich
    Foto: methaphum - Fotolia.com

Bestrebungen, Verhütung zur Männersache umzuwandeln, gab es schon früh. Einige Beachtung fanden in den 80er Jahren die Experimente der „Hodenbader“, einer Gruppe männlicher Feministen um den Schweizer Beat Schegger. Sie versuchten, sich selber unfruchtbar zu machen, um damit das Patriarchat zu beenden und „konkret etwas zur Gleichstellung von Mann und Frau beizutragen.“ Dafür lagerten die Aktivisten ihre Hoden täglich in einem Wasserbad, das sie mit dem Tauchsieder auf 45 Grad Celsius erhitzten. Die Prozedur war nicht wirklich angenehm: So mussten die Hodensäcke mit Gewichten beschwert werden, um sie ganz in das Bad einzutauchen. Und es galt, den Penis vor der Verbrühung zu schützen.

Bekannt war aber schon damals, dass Wärme die Spermienproduktion vermindert, und so zeigten die Torturen tatsächlich Erfolg: Als die Hodenbader ihre Samenflüssigkeit nach drei Wochen unter dem Mikroskop begutachteten, stellten sie fest, dass diese so gut wie frei von Spermien war. Als Verhütungsmethode konnte sich das Ganze trotzdem nicht durchsetzen.

Aber warum nur wurde bis heute keine schmerzfreie Alternative zum Hodenbaden erfunden? Wieso gibt es immer noch kein Medikament zur männlichen Kontrazeption? Tatsächlich werde bereits seit Jahrzehnten wissenschaftlich daran geforscht, sagt Eberhard Nieschlag, einer von wenigen deutschen Experten auf dem Gebiet. Schon in den 70ern habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Arbeitsgruppe gegründet, um ein Verhütungsspräparat für Männer zu entwickeln, der auch er angehörte. Und bis heute versuche die WHO, die Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben. „Man hofft, dass es dadurch weltweit zu weniger ungewollten Schwangerschaften und Abtreibungen kommen würde“, sagt Nieschlag.

Dass es bisher noch keine Pille für den Mann zu kaufen gibt, liege am mangelnden Interesse der Medikamentenhersteller, glaubt er: „Die WHO kann nur die Forschung fördern. Um Medikamente auf den Markt zu bringen braucht es die pharmazeutische Industrie.“ Die aber verspreche sich von einem Verhütungspräparat für Männer nicht genug Profit. Als Konkurrenzprodukt zur beliebten und günstigen Pille für Frauen dürfte es nämlich nicht zu teuer verkauft werden. Und da satte Gewinne die Konzerne naturgemäß mehr interessieren, als die Förderung der Gleichberechtigung, lässt „die Pille für Ihn“ weiterhin auf sich warten. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Entscheider in Pharmaindustrie und -forschung vorrangig männlichen Geschlechts sind – und keine Notwendigkeit sehen, ihre Geschlechtsgenossen bei der Verhütung in die Verantwortung zu nehmen. Auch glaubt man offenbar, dass Nebenwirkungen, wie sie bei der Pille für Frauen auftreten, für Männern nicht tragbar seien.

Wie Verhütung bei Männern funktionieren könnte, weiß man hingegen seit langem. Nieschlag war früher als Professor am Institut für Reproduktionsmedizin in Münster tätig. Dort hatte er Männer behandelt, deren Hoden zu wenig Spermien produzieren: „Bei der Verhütung wäre es ja genau das, was man erreichen will, aber eben nur vorübergehend“, sagt er. „Am besten ginge das mit einem Hormonpräparat.“ Während die Pille für Sie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen enthält, müsste man Männern das männliche Geschlechtshormon Testosteron verabreichen. Es wird normalerweise in den Hoden produziert. Nimmt man es zusätzlich künstlich auf, zirkuliert eine große Menge davon im Blut. Dem Organismus spiegelt das vor, dass das Hormon bereits im Überfluss vorhanden sei. Also fährt dieser die körpereigene Produktion von Testosteron und weiteren Botenstoffen zurück. All das führt dazu, dass Spermien nicht mehr ausreifen können. Verstärken lässt sich die Wirkung, wenn man zusätzlich Gestagene einnimmt, Hormone, die auch in der Pille für Frauen enthalten sind.

2009 testete die WHO erstmals Testosteron- und Gestagen-Injektionen an einer Gruppe von Männern, eigentlich mit einem guten Ergebnis. Die Hormonspritzen hätten die Fruchtbarkeit wirksam unterdrückt, sagt Nieschlag. Leider sei die Studie dennoch abgebrochen worden, der Grund: Einige Männer klagten über Verstimmungen und Gewichtszunahmen. Über Probleme also, die Millionen Frauen von der Einnahme hormoneller Verhütungsmittel kennen – und häufig hinnehmen müssen. Den Männern aber, beschloss man, seien die Nebenwirkungen nicht zumutbar. „Ich fand das sehr schade“, sagt Nieschlag. „Auch deshalb, weil sich die Versuche in einer frühen Phase befanden, in der es lediglich um die Wirksamkeit ging. Über eine Anpassung der Dosis hätten sich die Nebenwirkungen nach und nach reduzieren lassen.“ So sei auch die Pille für Frauen mit den Jahren weiter entwickelt und immer besser verträglich geworden, nachdem man Erfahrungen mit der Anwendung habe sammeln können.

Inzwischen sind noch weitere Ansätze in der Erprobung: So gelang es amerikanischen Forschern vor kurzem, Rhesusaffen vorübergehend zeugungsunfähig zu machen. Sie hatten ihnen ein Medikament verabreicht, dass die Spermien unfähig macht, zu schwimmen. Noch in der Entwicklung ist außerdem ein Kunststoffgel, welches sich Männer in den Samenleiter injizieren sollen. Es soll zwar Samenflüssigkeit aber keine Spermien durchlassen. Schottische Wissenschaftler verfolgen zudem die Idee, ein Gen zu blockieren, ohne das die Spermien nicht ausreifen können.

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Den vollständigen Artikel lesen Sie in Séparée No.20.

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