Sie befinden sich hier:

Ist Masturbieren das neue Meditieren?

separee
(Kommentare: 0)
Sarah Kessler

Ich liege im Bett, meine Hand zwischen meinen Beinen. Mein Atem wird schneller und ein zunächst sanftes Beben steigert sich stetig. Mir wird warm. Routiniert kreise ich meine Finger. Und gerade, als ich langsamer werde, um den Höhepunkt weiter hinauszuzögern, höre ich, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht ...

  • Text: Sarah Kessler
    Fotos: Mikhaylovsky/stock.adobe.com

Mein Wille, mich nicht ablenken zu lassen, ist stark. Ich denke an meine Lieblingsfantasie, spüre im Geiste den Bewegungen nach, die mich schon hunderte Male haben kommen lassen. Doch spätestens, als meine Mitbewohnerin ein lautes „Hallo“ ruft, ist es vorbei. Zumindest vorerst. ‚Ist doch egal´, versuche ich mir zu sagen, ‚fokussier dich nur auf dich selbst´. Aber das ist leichter gesagt als getan. Ich schließe die Augen, konzentriere mich auf meine Atmung und versuche die Aufmerksamkeit nur auf mich zu richten, langsam alle Nebengeräusche, alle Gedanken loszuwerden. ‚Habe ich nicht irgendeinen Geburtstag vergessen?´ Da sind sie schon wieder die Gedanken. Ich kann es einfach nicht lassen. Bis ich in einen Modus gelange, in dem ich nur bei mir bin – und in dem ich schließlich zum Orgasmus komme – brauche ich je nach Stresslevel unterschiedlich lange. Ich zähle meine Atemzüge und registriere, wie sie erneut schneller werden. Auch das Beben auf meiner Bauchdecke wird stärker und breitet sich schließlich in meinem gesamten Körper aus. Der Orgasmus fühlt sich fast wie eine kleine Erlösung an und mit ihm kommt ein Gedanke, den ich so schnell nicht mehr loswerde: Ist Masturbieren das neue Meditieren? Schließlich kann ich auch nur kommen, wenn ich ganz bei mir bin, alles loslasse und mich nur dem Hier und Jetzt sowie dem, was ich gerade fühle, hingebe. Wie beim Meditieren also. Oder zumindest wie bei dem, was ich mir unter Meditieren vorstelle.

Meditationsanleitungen finden sich bei Youtube zuhauf. Und da bei Instagram alle davon schwärmen, wie gut so eine Meditation tut, habe ich es auch das eine oder andere Mal versucht. Leider vergebens. Ich weiß nicht weshalb, aber mein ganzer Körper rebelliert gegen diese bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit. Wieso schreibt eigentlich keiner eine Anleitung zum Thema: How to come? Weil weibliche Sexualität noch immer tabuisiert wird. Das Es-Sich-Selbermachen für Frauen noch immer schambehaftet ist. Ja, ich weiß. Seit ein paar Jahren gibt es die Plattform „OMG YES“, die neben wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit der sexuellen Lust der Frauen auch konkrete Masturbationsanleitungen parat hat (Kleine Anmerkung: Alle, die diese Seite noch nicht kennen: Setzt euch ein Lesezeichen, schaut sie euch an und dankt mir später!). Aber solcher Austausch ist rar und leider noch die Ausnahme. Männer masturbieren mehr als doppelt so häufig wie Frauen, und beim heterosexuellen Penetrationssex ist der so genannte Orgasm-Gap ebenfalls erschreckend hoch. Aus einer vier Jahre alten Studie der International Academy of Sex Research (IASR) geht hervor, dass 95 Prozent der heterosexuellen Männer beim Sex immer oder meistens zum Orgasmus kommen, aber nur 65 Prozent der heterosexuellen Frauen. Die Zeitung „Die Welt“ berichtete von einer weiteren Studie, laut der nur 14 Prozent der Frauen bei sexuellen Begegnungen überhaupt einen Orgasmus erleben. Dass dies nicht anatomisch zu begründen ist, belegt ebenfalls die IASR, denn beim gleichgeschlechtlichen Sex schließt sich der Orgasm-Gap beinahe: 86 % der Frauen kommen dann immer oder meistens zum Orgasmus und 89 % der Männer. Bis zur sexuellen Gleichberechtigung der Frau haben wir also noch einen Weg vor uns.

Konzentrieren wir uns in einem ersten Schritt also auf uns selbst – und damit auf das Masturbieren. Denn Orgasmus kann man lernen! Genauso wie das Meditieren. Fürs Lernen müssen wir zuerst verstehen. Schauen wir uns also an, was bei einem Orgasmus eigentlich in unserem Körper passiert. Genauer gesagt, in unserem Nervensystem.

...

Den vollständigen Beitrag, in dem es nicht nur um das Nervensystem geht, lesen Sie in Séparée No.30.

Zurück