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Die Kunst der Unterwerfung

separee
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Ute Gliwa

Master André aka Dominus Berlin, mehrfach zu Deutschlands „Bestmaster“ gekürt, hat uns im Gespräch von seinem beruflichen Alltag, der Abgrenzung zu seinem Privatleben und Unterschieden zwischen männlichen und weiblichen Sexarbeitern erzählt.

  • Interview: Ute Gliwa
    Fotos: PR

Séparée: Master André, eigentlich ist dein Beruf als Dominus ja ein Paradoxon. Sind nicht deine Klienten, die dich für deine Dienste bezahlen, die wirklichen Herrschaften und du deren Diener?

Master André: Natürlich verstehe ich mich als Dienstleister und muss darauf achten, dass die Wünsche meiner Klienten umgesetzt werden. Ich muss diesen Wünschen dann nur einen Wunsch von mir voranstellen, was nicht besonders schwer ist, wenn man Sexualität im Allgemeinen und BDSM im Speziellen richtig mag. Daher sind hier Absprachen besonders wichtig. Das ist im Übrigen das Kennzeichen für einen wirklichen Profi: Wer in einer Sitzung einfach seinen persönlichen Stiefel durchzieht und somit eben nicht Dienstleister ist, sondern nur ein bezahlter Sexpartner, der erreicht sein Gegenüber seltener.

Wie konkret sind die Wünsche deiner Klienten und wie viel kreativer Handlungsspielraum bleibt dir dabei?

In manchen Punkten sollte man schon sehr konkret sein, zum Beispiel macht den einen Leder an und den anderen eben nur Anzug. Auch die Ausschlusskriterien werden von den Klienten sehr deutlich formuliert. Witzig sind die von sehr eingefleischten Schwulen. Da höre ich häufig so etwas wie: „Meine Tabus sind: Erbrechen, Blut, Kot und Frauen“. Na ja, jedem sein eigener Horror. (Er lacht.)
Bei den Praktiken kann man mehrfach ankreuzen, und ich kann mir davon einfach was aussuchen. Bei den sogenannten Softskills bleiben die Leute zu Recht schwammig. Ich habe auch schon ein Drehbuch bekommen, wo ich auf die Minute genau vorgeschrieben bekam, wann ich wie zu stöhnen hatte – den Termin habe ich abgelehnt. Aber in der Regel umschreiben die Leute ihre Wünsche grob. Sie wollen ja, dass ich meine Bedürfnisse daraus ableiten kann. Es ist wie bei einem Paartanz. Da gibt die Dame vor, ob Tango oder Samba, aber führen wird dann der Mann.

Ich habe den Anamnesebogen auf deiner Webseite studiert und mich über die Orgasmus-Frage gewundert. Von weiblichen Dominas weiß ich, dass ihren Sklaven kein Sex mit der Herrin erlaubt ist. Liegt der Fall bei männlichen Doms grundsätzlich anders oder bist du eine Ausnahme?

Nun, das ist breit gefächert und unterliegt Klischees. Dass bei einer klassischen Domina gar keine Orgasmen stattfinden, ist möglich und auch mal bei mir oder meinen Klienten der Fall. Aber die klassische Unberührbarkeit einer Domina ist in der Regel darauf bezogen, dass sie bei sich keinen Intimkontakt wünscht. Grundsätzlich ist der Orgasmus bei einem Sexarbeiter im Vergleich zu einer Sexarbeiterin schon eher erwünscht. Das hängt wieder mit unserem Geschlechterbild zusammen: Ein Mann „muss Samen verteilen“, eine Frau „einstecken und brüten“. Die Realität sieht ganz anders aus, denn insbesondere im BDSM ist der Orgasmus weder immer das erklärte Ziel, noch lässt er sich genderspezifisch zuteilen. Oftmals ist sogar kein Orgasmus gewollt, ergibt sich aber trotzdem oder andersherum. Der Orgasmus ist kein Qualitätskriterium einer Sitzung.

Deine Klienten sind sowohl Frauen, Männer als auch Mischgeschlechter. Übst du deine Tätigkeit als Dominus unabhängig von deiner eigenen sexuellen Orientierung aus?

Grundsätzlich bin ich bi. Mich erregt, dass jemand devot ist, sich mir hingibt, mich anbetet. Ob und wie viel Penis an dem Menschen hängt, ist sekundär. Gleiches gilt für das Maß an Attraktivität meines Spielpartners.

Ich war erstaunt zu sehen, dass du als männliche Domina so gut wie konkurrenzlos in Deutschland bist. Dabei träumen doch zahllose Frauen davon – der Erfolg von Shades of Grey belegt es – von einem Mann sexuell dominiert zu werden. Ist es immer noch unüblich, dass Frauen für sexuelle Dienstleistungen bezahlen?

Ja, das stimmt. Es zahlen immer noch mehr Männer für Sex als Frauen. Aber zu mir kommen in der Regel nur emanzipierte, starke Frauen, die ihre Motivation ungefähr so beschreiben: „Ich brauche das jetzt und ich gönne mir das. Jetzt bin ich mal dran.“ Das ist eine Folge der fortschreitenden Gleichberechtigung unserer westlichen Welt, und wir alle können verdammt stolz darauf sein. Sie schätzen den Sicherheitsaspekt, denn zu einem fremden Mann nach Hause zu gehen und sich dort fesseln lassen, ist für eine Frau ein Wagnis und geht tatsächlich oftmals daneben. Da der Mann naturgemäß mehr schachern muss, um eine Sklavin zu bekommen, passiert es häufiger, dass er Grenzen missachtet. So etwas passiert einer dominanten Frau bei einem devoten Mann logischerweise nicht, und unter Männern oder lesbischen Frauen ist das auch nicht so ein Drama. Für eine Frau, die einen dominanten Mann sucht, schon. Sich in einem Dominastudio mit gutem Ruf, in dem meist noch andere Frauen herumlaufen, von einem Profi behandeln zu lassen, erscheint dann als eine logische Konsequenz.

Unterm Strich gibt es noch den „Unisex-Grund“, warum man überhaupt zu Sexarbeitern geht: Man bekommt das, was man wirklich haben möchte – ohne Kompromisse und stundenlange Suche im Internet. In der BDSM-Szene ist es häufig auch so, dass feste Partnerschaften vorhanden sind, in denen der übliche Beischlaf vollzogen wird, aber der BDSM einfach keinen Platz findet. Das muss irgendwann ausgeglichen werden. Diese Leute sind meine klassische Zielgruppe.

Du trägst große Verantwortung, deine Klienten in ihrem Wunsch nach Schmerz und Unterwerfung gerade und nur so weit zu führen, wie sie es vertragen. Wie findest du das richtige Maß für jeden, wo doch die Schmerzgrenzen und Befindlichkeiten bei jedem unterschiedlich sind?

Ganz einfach: auch während der Session kommunizieren. Das muss nicht immer Text sein, sondern geht auch über Stöhnen oder manchmal nur Zittern. Grundsätzlich stehe ich persönlich sehr auf Verbalerotik, da fällt das leicht.

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Das komplette Interview lesen Sie in Séparée No.18.

 

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