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Die Entdeckung der Weiblichkeit – ein Triptychon

separee
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Janina Gatzky

An einem Sonntagvormittag traf Janina Gatzky die Künstlerin Katrin Zickler und ihren Partner Hans J. zu einem Gespräch, in dem es längst nicht nur um ihre erotischen Bilder ging.

Hans J., groß, muskulös, Anfang 50, bittet mich ins Atelier, das in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Brauerei in Dessau liegt. Backstein trifft Stahlbalken und weiße Wände. Er ist Muse und Manager zugleich und offensichtlich derjenige, der in dieser Beziehung in vieler Hinsicht den Ton angibt. Doch die Bühne gehört ihr, der zierlichen Frau in den engen Jeans und dem weißen, anliegenden Oberteil, durch das sich ihre Brustwarzen deutlich abzeichnen. All das ist gewollt, sehr sogar.

Bevor wir ins Gespräch kommen, führen mich die beiden durch die Räume, die neben der Malschule, mit der Katrin Zickler ihr Geld verdient, eine Galerie mit ihren Werken beherbergen. Malerei und Skulpturen. Stile und Materialien variieren. Ihre Arbeiten verkaufen sich durchaus erfolgreich. Lange bleiben wir in dem großen Raum mit ihren erotischen Bildern stehen – sie am Tisch in der Mitte, er in den Türrahmen gelehnt – und fangen an zu reden, denn die Gemälde und die unzähligen Aktfotos, die sie von sich macht, lassen sich nicht voll erschließen, ohne ihre Geschichte zu kennen, die eine Art spätes Coming-of-Age und doch typisch für so viele Frauen ist. Wenn sie erzählt, ergänzt er oft, erklärt, wenn er denkt, das Bild, das sie von sich zeichnet, sei nur eine Skizze. Vielleicht ist für Männer, insbesondere selbstbewusste Alpha-Tiere, schwer zu verstehen, dass Frauen einen anderen Weg zu sich selbst gehen, der selten gradlinig und häufig steinig ist. Hans J. verwendet immer wieder den Betriff „Narzissmus“, wenn er sie beschreibt. Er meint das nicht negativ. Aber das Wort wirkt sperrig für diese leise Frau und irgendwie nicht stimmig. Katrin Zickler selbst spricht später von „Frauwerdung“ und meint damit, den Mut zu haben, aus sich herauszutreten, das frei zu leben, was in ihr steckt, ohne falsche Rücksicht und Ängste. Kann es sein, dass das auf Männer immer noch egoistisch wirkt? Für Zickler lässt es sich auf eine einfache Formel bringen: Kunst und Sexualität.

Angefangen hat alles anders: Als jüngstes von drei Kindern will sie der Junge sein, macht Judo und spielt Fußball. Die Rolle der schönen Tochter ist schon der großen Schwester vorbehalten. Später wird sie zu einem Neutrum, das den schlanken Körper mit geschlechtslosen Gewändern verhüllt. Sie wird nicht gesehen, will dies aber auch nicht. Ihre Kunst sollen die Menschen wahrnehmen, nicht die Künstlerin dahinter. Heute ist das anders: Sie ist sich ihres attraktiven Körpers bewusst und nutzt diese Vorteile bewusst. Ihr Körper ist Teil ihrer Kunst geworden – in Aktbildern und Videos. Sie stellt ihn und sich gern zur Schau, provoziert gelegentlich und genießt die bewundernden Blicke der Anderen. Vielleicht ist es auch das, was Hans J. mit Narzissmus meint. Der Mann, mit dem Katrin Zickler lange zusammenlebte und mit dem sie zwei Söhne hat, konnte diese Weiblichkeit nicht aus ihr herauskitzeln. Im Gegenteil. Seine Unsicherheit spiegelte sich in ihr in Form von Selbstzweifeln wider. Vor acht Jahren begegnet sie schließlich Hans J. Er nennt es Zufall, sie denke eher an Bestimmung. Schnell erkennt er in ihr einen ungeschliffenen Diamanten, wie er sie beschreibt. Zuerst will er sie fotografieren, dann wird mehr daraus. Mühsam erkämpft sie sich an seiner Seite in den nächsten Jahren ihr Selbstwertgefühl und damit öffnet sich eine Tür zu ihren sexuellen Fantasien, die bis dato brach lagen. Mit ihm kann sie diese endlich ausleben. Ins Detail gehen die beiden nicht. Es fallen nur Stichworte, die ahnen lassen, dass Blümchensex nicht ihre Sache ist.

Auch in der Farbigkeit ihrer neuen Werke spiegelt sich die eigene Emanzipation, die Bewusstwerdung ihrer Weiblichkeit wider. Waren sie früher dunkel und dramatisch, so sind ihre Gemälde heute hell, fließend, lebendig. Ihre erotischen Bilder sprechen mich sofort an. Sie verweben organische Formen, die mal anatomisch, mal floral anmuten. Auf vielen Bildern Penisse. Nie als erhobener Zeigfinger, patriarchisch-majestätischer Phallus oder Zepter der Macht, sondern oft im Zusammenspiel mit Vulven, die an riesige Blüten erinnern. Blumen, so sagt Katrin Zickler beiläufig, seien doch Erotik, die man sich ins Haus holt ...

Das gesamte Porträt und weitere Kunstwerke von Katrin Zickler findet sich in Séparée No.18

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